Ich möchte die aktuellen Diskussionen in den sozialen Medien über den Todes des Pferdes "Evita" während eines Kurses zum Anlass nehmen Gedankenanstöße zum "Nein sagen" zu geben - für Schüler und Lehrer. Der Tod des Pferdes Evita muss uns allen ein Mahnmal sein, seine eigene Haltung zu reflektieren, - die des Schülers und ganz besonders die des Lehrers.
Ich kenne aus meiner eigenen Lehrzeit durchaus Lehrer wo man als Schüler kein Unbehagen in irgend einer Form äußern durfte. Was der Lehrer sagt ist Gesetz! Ich möchte diese Lehrer mal als fragwürdige Lehrer bezeichnen.
Der Lehrer muss auf die Befindlichkeit seines Schülers eingehen! Reiten ist Gefühl, und wenn das Gefühl des Schülers Unbehagen ausdrückt, dann gilt es das zu respektieren und den Übungsaufbau zu ändern.
Man muss als Lehrer in solchen Situationen abwägen,- ist der Schüler grundsätzlich offen den Anweisungen folge zu leisten, oder schlicht weg in der falschen Situation diskussionsbereit? Ich denke, jeder Ausbilder wird Schüler kennen, die direkt auf jede Anweisung ein "ja aber...." oder "ich habe das aber immer so gemacht..." kontern, und dem Lehrer damit die Chance nehmen überhaupt zu unterrichten. Man muss hier als Lehrer sehr rasch zwischen Erklärungsbedarf und sturer Wiederrede unterscheiden können, und entsprechend handeln. Ein gezeigtes Unbehagen vom Schüler gilt es stets und in jeder Situation zu respektieren!
Ich erinnere mich an eine Unterrichtsstunde vor vielen, vielen Jahren auf einem Lehrpferd. Ich war auf diesem Pferd "nicht Zuhause" und fühlte mich im Unterricht nicht wohl. Ich kommunizierte das und bat darum, zur Entspannung kurz eine andere Übung reiten zu dürfen. Raus aus der Situation zu dürfen. Der Lehrer hat sich über mich lustig gemacht, und lange, für mich zu lange, an der Durchführung der Anweisung beharrt. Ich hätte sie nicht ausführen können, also hielt ich schlussendlich das Pferd an und sagte, so kann ich nicht weiter reiten, ich möchte absteigen. Der Lehrer schrie mich an und war im eigenen Ego verletzt.
Gelernt habe ich in diesem Unterricht nur, dass man als Schüler immer auf sein Gefühl hören muss. Wenn man sich als Reiter geistig und körperlich (negativ) verspannt, wird man das immer auf das Pferd übertragen!
Über Faszien, das vegetative Nervensystem und den Pferderücken
Natürlich muss der Schüler eine grundsätzliche Bereitschaft haben, sich auf den Lehrer und den Unterricht einzulassen. Ohne auf jede Anforderung Diskussionen zu entfachen für die im Anschluss an den Unterricht bei Bedarf Raum sein soll. Innerhalb der Unterrichtssituation ist oft ein schnelles Umsetzen der Anweisungen vom Schüler nötig, gerade wenn es um Korrekturen geht. Hier gilt es dem Lehrer zu vertrauen und daran zu arbeiten auch aus seiner eigenen Komfortzone heraus zu kommen.
sag nein wenn.....
Ganz klares ja, und unter bestimmten Umständen sogar auch nötig. Gerade bei Kursen mit öffentlichem Interesse steht der Kursleiter oft unter einem gewissen "Erfolgsdruck". Man ist bestrebt, der zahlenden Kundschaft, dem Teilnehmer, etwas zu lernen, ein Problem zu korrigieren, seinem Publikum zu "gefallen", und nicht zuletzt, seinem Namen und seiner Philosophie gerecht zu werden...
Gerade bei Kursen, die unter einem gewissen Motto stehen, mag es für den Kursleiter aber mitunter schwierig werden das Thema mit allen Teilnehmern zu erfüllen. Der Teilnehmer, und damit meine ich das Pferd und den Menschen, muss der Kurssituation gewachsen sein - in jeder Minute der Unterrichtseinheit!
Ich bin selbst seit Jahren als Kursleiter aktiv, besuche aber auch gerne Kurse als Zuseher. Ich möchte ein bisschen aus dem "Nähkästchen" plaudern, meine Erfahrungen teilen und gerne auch den einen oder anderen Kollegen zu nachdenken anregen.
Ich hatte in meinen Kursen immer wieder Teilnehmer die ich aus dem Kursthema genommen habe, oder gar abgelehnt habe an einem gewissen Thema zu arbeiten. Wenn beispielsweise ein Reitkurs am Programm steht, werde ich stets die Ausrüstung des Pferdes kontrollieren. Es gehört schlicht weg zu meiner Arbeitsphilosophie, und diese ist bei mir sehr klar definiert. Immer wieder kommt es vor, dass Ausrüstungsgegenstände, etwa der Sattel des Pferdes, derart unpassend sind, dass ich es dem Pferd gegenüber nicht verantworten mag in meinem Unterricht Bewegungseinschränkungen, oder gar Schmerzen zu erleiden. Das passt nicht zu dem, was meine "Lehre" verkörpert. In den meisten Fällen lässt sich eine Alternative finden, und der Unterricht kann beginnen.
Ich hatte aber auch schon Pferde, die mir offensichtlich lahm zum Kurs vorgestellt wurden, und wo ich die Pferde aus dem Kurs genommen habe. Auch gab es immer wieder innerhalb einer Kurses Teilnehmer, wo zumindest ein Teil - Mensch oder Pferd - mit einem starren Programm überfordert gewesen wären.
Ich betrachte es als meine Verantwortung, innerhalb einer Kurssituation zu entscheiden, was zumutbar ist. Priorität hat das mir anvertrauten Pferd.
"Für wessen Augen reitest du?"
Fehler passieren...?
Fehler passieren zweifelsohne bei jedem, doch entscheidet das Ausmaß und in erster Linie die Erkenntnis in vollem Umfang. Fehler passieren aus Unachtsamkeit, mangelhaftem Wissen, Fehleinschätzungen, aber auch aus übersteigerter Selbstverherrlichung und wenn die Arbeit am Lebewesen Pferd mechanisch wird. Ich möchte an der Stelle dazu ermahnen, nie die Demut vor dem Pferd zu verlieren.
Zwang, oder gar Gewalt - psychischer oder physischer Natur - haben im Umgang mit Lebewesen nichts verloren und ich möchte dazu aufrufen, seine Grenzen dafür zu definieren.
Ein "nein" des Pferdes innerhalb einer Lehreinheit, sollte für uns alle, die wir mit Pferden arbeiten, Gebot sein inne zu halten. Das Pferd aus der momentanen (Stress-) Situation heraus zu führen, einen Schritt zurück zu machen oder falls nötig, für den Moment sein Tun abzubrechen. Vorausschauend arbeiten, mit allen Sinnen "im" Pferd, und nicht selbst darstellend für das eigene Ego oder das Publikum lassen mitunter Fehler vermeiden und erspart dem Pferd eine psychische oder physische Vergewaltigung.
Noch immer halten viele Lehrer an völlig veralteten Lehrmethoden fest und geben diese an ihre Schüler weiter. Lehrmethoden, die auf Druck und Zwang des Pferdes aufgebaut sind, und nicht selten unter dem "Deckmantel" einer pferdefreundlichen Methode stehen.
Wir alle sollen uns vor und nach jedem Training fragen, "was bin ich für ein Pädagoge?". Wir sollen stets demütig sein und nie aufhören lernbereit zu sein, nachgiebig und vor allem FAIR zum Pferd. Eine faire Lehrmethode wird dem Pferd stets einen Ausweg lassen und zugestehen, ohne dass der Mensch sich dabei als "Verlierer" betrachtet. Es geht im Pferdetraining nicht um einen (Macht-) Kampf, dem Pferd seinen Willen aufzuzwingen. Diese "Machtkämpfe" entstehen aber vielfach gerade wenn Zeit- und Erfolgsdruck herrscht,- in Kurssituationen, wenn Pferde in Beritt sind und der Trainer innerhalb eines gewissen Zeitraumes Erfolg verbuchen muss.
Ich wünsche mir ein Nachdenken, ein Umdenken und nehme diesen Beitrag auch zum Anlass, mich selbst einmal mehr zu reflektieren - in dubio pro equo!
Text: Daniela Schinko, Hippovital.at
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